Chinesische Automarken in der Flotte: Wie gut klappt das Geschäft wirklich?
BYD, MG, Nio & Co. versuchen sich im Flottengeschäft. Der Ansatz ist nachvollziehbar, aber es gibt auch Tücken, wie uns Fuhrparkbetreiber berichten.
China hat als zweitgrößter Aussteller nach Deutschland auf der IAA 2023 gezeigt, dass es mit seinen Elektrofahrzeugen den europäischen und insbesondere den deutschen Markt aufrollen möchte. Die Privatkunden öffnen sich bereits für die Stromer aus der Volksrepublik. So hat etwa eine Carwow-Umfrage im Mai unter mehr als 1.100 Teilnehmern ergeben, dass 42 Prozent der Neuwagenkäufer (Dezember 2022: ca. 30%) in Betracht ziehen, chinesische E-Autos zu erwerben. Laut Erhebung punkten die Hersteller aus Fernost mit Preis, Design und Qualität.
Doch wie sieht es in den Fuhrparks mit ihren ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten aus? Gemäß den Zahlen von Dataforce ist im relevanten Flottenmarkt bisher nur ein laues Lüftchen zu spüren. Dort erzielen die Marken aus dem Reich der Mitte – ohne die Zulassungen im Kfz-Handel und -Bau sowie bei Autovermietern – von Januar bis August dieses Jahres einen Anteil von 0,9 Prozent im Pkw-Segment und 0,4 Prozent bei den leichten Nutzfahrzeugen. Neben MG kommen Polestar und BYD messbar vorwärts, wenn auch auf niedrigem Niveau. Vielmehr im Visier: die Autovermieter als Türöffner (Anteil in deren Fuhrparks bei Pkw: 5 % | leichte Nfz 5,5 %).
An diesem Gesamtbild wird sich nach Einschätzung von Benjamin Kibies, Senior Automotive Analyst bei Dataforce, bis Ende des Jahres wenig ändern. „Wie die Entwicklung in 2024 verläuft, wird von der Geschäftsstrategie der einzelnen Anbieter abhängen“, sagt Kibies. Ungeachtet dessen beobachtet er, dass viele Fuhrparkbetreiber hierzulande bei der Aufnahme der Newcomer in die Car Policies zurückhaltend sind. Dabei würden sowohl politische Überlegungen eine Rolle spielen als auch die Absicht, deutsche respektive europäische Marken unterstützen zu wollen. „Darüber hinaus ist die Bekanntheit der Brands noch relativ gering. Deshalb ist der Ansatz chinesischer Marken nicht schlecht, erst einmal über die Autovermieter zu gehen, damit auch die Gewerbekunden die Fahrzeuge in der Praxis kennenlernen“, resümiert Kibies.
Erste Einsätze in Flotten laufen
Ein Unternehmen, das erste Gehversuche bei der Elektrifizierung der Flotte macht und dafür Stromer aus China gewählt hat, ist Prosales aus Stutensee bei Karlsruhe. Zehn MG4 zählen zu den insgesamt rund 150 Firmenwagen der Verkaufsförderungsagentur. Diese fahren Außendienstmitarbeiter in Ballungszentren wie Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und Köln sowie einigen ländlichen Regionen, in denen sich die jährliche Fahrleistung um die 20.000 Kilometer bewegt. In allen Gebieten finden sich zudem Vertragshändler. Das sind zwei wesentliche Kriterien neben der Verfügbarkeit und der Leasingrate für die Entscheidung pro MG gewesen. Die BEV sind daher für 36 Monate mit einer Gesamtlaufleistung von 60.000 Kilometern bei der Captive geleast.
Dass Prosales überhaupt auf MG kam, war der regionalen Autohausgruppe zu verdanken, die schon Dienst-Pkw in den Fuhrpark lieferte und die Marke ins Portfolio aufgenommen hat. Nach Gesprächen mit deren Vertreter, den erhaltenen Leasing-Angeboten und einem Abgleich mit der Liste an MG-Händlerpräsenzen im Bundesgebiet, hat Rolf Baumann die künftigen Einsatzorte bestimmt. Dann hat der Geschäftsführer bestellt. Etwa vier Wochen später wurden die ersten Fahrzeuge angeliefert.
Seit Sommer 2022 nutzen die Mitarbeiter nun die MG4. Laut Baumann erzielen sie je nach Beladung und Witterung eine tatsächliche Reichweite von 200 bis 220 Kilometern. So ist der Betrieb möglich, ohne jeden Tag laden zu müssen. Denn in den Städten fahren die Außendienstler zwar bis zu zehn Kunden pro Tag an, legen dafür aber oft nur bis zu 100 Kilometer zurück. An die Steckdose kommen die E-Autos entweder bei Supermärkten oder an öffentlichen Ladestationen, für die Prosales Ladekarten der EnBW ausgegeben hat.
Bewährungsprobe in der Praxis
Die Erfahrungen nach mehr als einem Jahr haben allerdings einige neuralgische Punkte zutage befördert, weshalb Baumann auf Distanz zur E-Mobilität geht. Zumindest vorerst. Einen sieht er in den gestiegenen Ladekosten: „Die Preise an den Schnellladern sind teilweise auf einen Euro pro Kilowattstunde (kWh) geklettert, was die Ausgaben enorm nach oben getrieben hat.“
Was für ihn noch mehr Gewicht hat: Nicht selten waren die Ladesäulen trotz anderweitiger Anzeige in den Apps nicht funktionsfähig oder alle besetzt, wenn der Fahrer an die Station kam. „Unsere Mitarbeiter müssen aber zu bestimmten Terminen bei den Kunden sein und können sich nicht auf die Suche nach Lademöglichkeiten begeben“, so der Unternehmer.
Was dann hinzukommt: „Die Hälfte der Pkw hatte bereits Ladeschwierigkeiten, welche kleinere Markenvertreter nicht in einem adäquaten Zeitraum beheben konnten“, konstatiert Baumann. Die Gründe dafür hat ihm auch keiner erklären können. Seiner Meinung nach sind dort Personalstärke und Strukturen zu wenig für Flotten wie von Prosales und deren Bedarfe aufgestellt. Kristallisationspunkt ist für den Geschäftsführer ein schwerer Crash gewesen, bei dem ein anderer Verkehrsteilnehmer einem seiner MG4-Nutzer aufgefahren ist. „Es hat gut eine Woche gedauert, bis geklärt war, was mit dem schweren Heckschaden passiert“, konstatiert Baumann. Schließlich wurde er repariert.
Die aktuellen Bedingungen rund um die Ladeinfrastruktur und die Erlebnisse gepaart mit den Konditionen in den letzten Angebotsrunden führen zu einem Resultat: Der Ausflug in die E-Welt endet bei Prosales mit Auslauf der Leasingverträge und wird bis auf Weiteres unabhängig von einer Marke nicht wieder aufgenommen. „Unser stark funktionsgetriebener Fuhrpark muss laufen und nicht überproportional viel Zeit vom Kerngeschäft binden“, resümiert Baumann. Als Nachfolgemodelle will er verbrauchsarme Benziner leasen.
Verhandlungen mit großen Fuhrparks
Ein großer Personaldienstleister, der sein Engagement in Sachen E-Mobilität dagegen ausbaut und für seine Flotte aus mehreren Hundert Autos den Markt regelmäßig sondiert, führt gerade Verhandlungen mit den Vertretern einer chinesischen Marke. Diese und auch seinen Namen will der dortige Fuhrparkleiter hier lieber nicht lesen. Er gibt jedoch kurz Auskunft zum Stand: „Ob wir den Hersteller listen, ist noch unklar. Das hängt an mehreren Faktoren wie Konditionen, Werkstattsteuerung, Verfügbarkeit und den sonstigen Prozessen.“ Die bisher vorliegenden Angebote überzeugen ihn nicht. Man sei nicht bereit, eine chinesische Marke aufzunehmen, wenn ein vergleichbares anderes Modell aus dem Premiumsegment in der Leasingrate deutlich günstiger ist.
Erfahrung mit E-Autos gefragt
Die Argumente und Bedenken der Flottenmanager kann der Geschäftsführer einer großen Handelsgruppe verstehen, die chinesische Marken vertreibt – vor allem hinsichtlich der mangelnden Netzstruktur und der kleineren Händler. Auch er möchte anonym bleiben. Nach seinen Beobachtungen mangelt es den kleinen Betrieben schlichtweg an Erfahrung, die mit den Jahren erworben wird. Er bezweifelt, dass Reparaturvorgänge in seinen Häusern so lange dauern würden, wie bei Prosales. „Bei uns sind die E-Autos wie die Modelle anderer Hersteller meist am nächsten Tag wieder auf der Straße, weil die Fachkräfte wissen, wo die Probleme liegen und wo sie hin fassen müssen.“ Bei den Konditionen registriert er zudem Bewegung. Er rechnet damit, dass die Leasingraten im gewerblichen Bereich sinken.
Unterschiedliches Herantasten in Flotten
Die Wallung im Markt wirkt auch in den Kundenkreis von Marcus Hennecke hinein. Der Inhaber der gleichnamigen Fuhrparkberatung in Friedberg bei Augsburg beobachtet einen heterogenen Umgang mit den Neueinsteigern aus Fernost. So hat beispielsweise eine Kommune, die ihre rund 150 Fahrzeuge möglichst elektrifizieren will, aufgrund des Vergaberechts ihre Ausschreibung für alle offen gehalten. Ausschlaggebend für den Zuschlag waren Leistungskriterien wie Reichweite und Konditionen. Chinesische Marken haben sich allerdings nicht beteiligt. Die Erklärung des Beraters: Die meisten Organisationen hätten hierzulande noch keine Ansprechpartner und könnten kein Händler- und Werkstattnetz für Flotten stellen, weshalb sie den Sektor noch nicht beachten würden.
Einem anderen Kunden mit rund 1.000 Firmenwagen seien wiederum Leasingangebote geschickt worden. Aber diese hätten 30 bis 40 Prozent höher gelegen als diejenigen für vergleichbare deutsche E-Autos. „Für die Leasinggesellschaften sind Risiken wie die Restwerte in drei Jahren ohne oder mit karger Stützung der OEM aktuell schwer zu kalkulieren“, begründet der Betriebswirt. Für die Großflotte waren die Modelle folglich keine Option.
Andere Unternehmen schließen die Chinesen von vornherein aus. Hennecke berichtet von einem Mittelständler mit rund 100 Pkw, der seine Flotte bis 2030 auf Stromer umstellen will: „Nach internen Diskussionen wurde aufgrund politischer Erwägungen ein kategorischer Ausschluss bestimmt.“
Unsicherheitsfaktoren: Leasingraten und TCO
Was die deutschen Fuhrparks nach Ansicht des Controlling-Experten aber vielmehr zurückhält, sind die nicht vorhandenen Daten, um die Total Cost of Ownership (TCO) im Vergleich zu anderen BEV zu berechnen. Er geht jedoch davon aus, in absehbarer Zeit nicht nur die relevanten Kosten im täglichen Betrieb, sondern auch konkurrenzfähige Leasingraten auf seinem Tisch zu haben. Derzeit würden einige Hersteller mit Leasinggebern daran arbeiten, berichtet Hennecke aus seinen Hintergrundgesprächen.
Eines ist für ihn ohnehin klar: „Grundpreis und Energieverbrauch gestalten sich im Vergleich zu deutschen Modellen in den jeweiligen Kategorien deutlich günstiger. Die Unsicherheit liegt bei Reparaturen und dem Restwert.“ Konkrete Zahlen nennt er keine. Diese Ergebnisse seien Teil eines Beratungsauftrags für ein großes internationales Unternehmen, das eine komplette Marktübersicht über die TCO aller erhältlichen Stromer angefordert hat. In einigen Monaten soll diese fertig sein.
Strategische Ansätze der Chinesen
Zugleich prognostiziert der Consultant einen Sinneswandel bei vielen Fuhrparkbetreibern, sobald die Preise stimmen und die TCO transparent sind. Er ergänzt: „Qualität und Design der Fahrzeuge sind schon jetzt gleichwertig. Und Key Account Management und Händlernetz für Fuhrparks lassen sich aufbauen. Möglichkeiten und Geld dafür sind vorhanden.“
Generell verfolgen die chinesischen Marken auf den Flottenmarkt unterschiedliche Strategien bei der Expansion. Einige schließen Partnerschaften mit heimischen Herstellern. Beispiel: Xpeng sowie der SAIC-Konzern mit den Marken MG und Maxus mit Volkswagen. BYD sucht wiederum den Markteintritt über Kooperationen mit großen Autohändlern. Eine weitere Taktik ist der Markteintritt über Kfz-Vermietung. BYD kooperiert etwa mit Sixt und liefert in den kommenden Jahren 100.000 Autos an den Autovermieter. Lynk & Co. gibt Fahrzeuge derzeit nur als Mietfahrzeuge heraus. „Diese nutzt zum Beispiel einer meiner Kunden als Poolfahrzeuge. Das ist ein cleverer Schachzug, um in die Flotten hereinzukommen“, so Hennecke. Die derzeitigen Probleme hält er in drei bis spätestens fünf Jahren für gelöst. Dann sei der Weg frei für die Aufnahme in die Car Policies.
Quelle: Autoflotte